Die Bachtour war nur 8 km lang, aber es gab viel zu erzählen und zu reflektieren über die Landschaft und Fließgewässer zwischen Petershagen und Ovenstädt. Zum Beispiel: Warum sind die Gewässer überhaupt begradigt? Was sind ökologische Erholungsinseln? Warum stehen Obstbäume am Weg? An jeder der insgesamt 5 Stationen wartete auf die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ein bestimmter „Lernstoff“ über diesen Ausschnitt unserer Kulturlandschaft.
Station 1 der Radtour befand sich an der Mündung der Ösper in die Weser. Kornelia Fieselmann, Sprecherin der Ortsgruppe Petershagen des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) erklärte, warum diese Exkursion sich besonders dem Lebensraum Bach annimmt: „Kleine Fließgewässer bieten ein großes Potenzial für mehr Artenvielfalt vor unserer Haustür. So besitzt die Ösper außergewöhnlich viele Seitengewässer, 22 an der Zahl. Ganz häufig höre ich, dass diese für Gräben gehalten werden. Das ist verständlich, verlaufen sie doch schnurgerade durch die Landschaft und heißen - sofern sie überhaupt einen Namen besitzen - Striethorngraben oder Sumpfmoorgraben.“ Um den „Beweis“ anzutreten, dass es sich um richtige Fließgewässer handelt, hatte die Gewässerfreundin einen Auszug aus dem Gewässerverzeichnis des LANUV NRW mitgebracht, das auch die kleinsten Fließgewässer auflistet und auch deren Länge angibt. Daraus lässt sich errechnen, dass alle zusammen eine Länge von ca. 80 km im Einzugsgebiet der Ösper ausmachen!
Über die Hafenstraße radelte die Gruppe entlang des Ösperabschnitts, der ehemals als Flutmulde diente, zur Station 2 an der Bremer Straße. Hier ging es um ein ganz aktuelles Thema: Hochwasser! Aus dem Buch „Geschichte und Geschichten von Petershagen“ (Rehling/Brey, 1989) erfuhren die Teilnehmer*innen von einem Ereignis aus dem Jahre 1909, als nach starken Regenfällen die Ösper ab dieser Stelle einen breiten Graben direkt bis zur Weser aufriss und dabei große Zerstörungen anrichtete. Als eine der Ursachen wurde die starke Biegung des Baches zur Burg (heute Schloss Petershagen) angegeben, von Menschenhand geschaffen, um ihn als Festungsgraben nutzen zu können. Als zweite die Trockenlegung der Niedermoorgebiete am Oberlauf der Ösper. Sie hielten Wasser bisher wie ein Schwamm in der Landschaft fest und konnten Witterungsextreme wie Starkregen abpuffern. Die Menschen damals begriffen die Zusammenhänge. Der aufgerissene Graben wurde zur oben erwähnten Flutmulde ausgebaut.
Ökologische Wirkungsweisen zu begreifen, das ist heute wichtiger denn je, war sich die Gruppe mit Blick auf die derzeitigen katastrophalen Hochwasserereignisse in Westdeutschland einig.
Der nächste „Lernstoff“ bezog sich auf die EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) und die Renaturierung von Gewässern. Von der Brücke Teichmühlenstraße (Station 3) waren ösperaufwärts im Jahr 2014 eine der zwei Ersatzauen geschaffen worden. Fließgewässer mit ihren Auen als artenreiche Lebensräume für Tiere und Pflanzen und Auen als natürlicher Hochwasserschutz sind selten geworden. Beides wieder zurückzugewinnen – das sind die Ziele der Richtlinie aus dem Jahre 2000. Deren Konzept: Da es aufgrund unserer heutigen zum großen Teil intensiv genutzten Kulturlandschaft nicht möglich ist, Fließgewässer in ihrer ganzen Länge in einen guten ökologischen Zustand zu bringen, sollen Strahlursprünge und „ökologische Erholungsinseln“ als Trittsteine geschaffen werden, die Strahlwirkung über den eigenen Bereich hinaus haben. Ein solcher Strahlursprung ist auf ca. 1 km in diesem Bereich angelegt worden. Kornelia Fieselmann hatte ein Würfelspiel für Kinder und Erwachsene mitgebracht: “Eigentlich ist das Konzept ganz einfach zu verstehen, wer dieses Spiel einmal gespielt hat: Darin geht es um mutige Fische, die neue Laichgründe im Oberlauf erobern wollen und auf ihrer Wanderung viele Abenteuer bestehen müssen, z. B. einen Sohlabsturz hochspringen oder durch ein dunkles Rohr schwimmen. Doch glücklicherweise gibt es auch Strahlursprünge zum Erholen! Dass die Hindernisse beseitigt werden, dafür dient die WRRL!
Hier kam die Frage auf, warum denn überhaupt die Fließgewässer begradigt wurden, um sie nun mit großem Aufwand wieder zu renaturieren. Die Gruppe erfuhr, dass verstärkt in den 50iger und 60iger Jahren vor allem die kleineren Fließgewässer begradigt und ausgebaut wurden, um die Niederungen hochwasserfrei zu halten, um dort Ackerbau betreiben zu können.
Jetzt stand im Fokus der Bachtour ein ganz kleiner namenloser, 2,2 km langer Bach, der von Ovenstädt kommend entlang der Bundesstraße 61 zwischen Eldagsen und Petershagen in die Ösper mündet (Station 4 am Kerkweg). In einem großen Bogen fließt er seinem Hauptgewässer unbeschattet zu, dort kaum als Bach zu erkennen, da zu dieser Jahreszeit vollkommen zugewachsen. Doch etwas weiter bachaufwärts wird er auf kurzer Strecke naturnäher: Große Ufergehölzen säumen das Gewässer und bringen mit ihren Wurzeln mehr Strukturvielfalt und damit auch mehr Lebensraumvielfalt.
So ein kleines Gewässer ist überschaubar, überlegten die Teilnehmer*innen und sannen über kleine Maßnahmen nach, die den Bach „lebendiger“ machen können. Zum Beispiel eine Rohr entfernen oder Büsche als Initialmaßnahme pflanzen.
Ein zweites kleines Gewässer, den Petershäger Hanggraben, wird die Gruppe auf der letzten Station kennenlernen. Auf dem Weg dorthin radelte sie über die kleine Anhöhe des Hopfenbergs vorbei an Obstgehölzen am Wegesrand, immer mit Blick auf das flache Tal des „Grenzbaches“ und verließ schließlich die Rahden-Diepenauer Geest, wie dieser Naturraum bezeichnet wird. Der zweite Naturraum auf dieser Bachtour ist die Mittelweser. Die Grenze zwischen diesen beiden Naturräumen ist der Wesersteilhang, den die Radler nun über die Straße Zur Niedermasch im schnellen Tempo hinunterfuhren. Unten angekommen, direkt neben einer Streuobstwiese gelegen, dann der Petershäger Hanggraben, ein 2, 4 km langes typisches Gewässer der Niederungen mit langsamer Fließgeschwindigkeit, der von kurzen Hangzuflüssen gespeist wird und in Ovenstädt in die Weser mündet.
An dieser Stelle waren auch alte Obstbäume und Obstwiesen ein Gesprächsthema. Als kulturhistorische Landschaftselemente und artenreiche Lebensräume sind sie von großer Bedeutung für die Landschaft. Aber das sollte das Thema einer anderen Exkursion sein!
Denn nun ging es zum Picknick an die Weser, dem Hauptgewässer im Flussgebietessystem unserer Region, dem auch die kleinsten Bäche angehören.
Wünsche am Schluss beim Picknick:
Kornelia Fieselmann: Ökologie heißt wörtlich „Lehre vom Haushalt“. Ich wünsche mir, dass wir lernen, so hauszuhalten, dass die Landschaft mit ihren natürlichen Lebensgrundlagen wie Wasser und Boden zukünftig nicht mehr überstrapaziert wird. Denn eine Übernutzung zerstört nicht nur Lebensraum von Pflanzen- und Tierarten, sondern schadet auch letztlich uns Menschen! Das heißt, wir müssen in der Landschaft lesen lernen und ein neues (ökologischeres) Kapitel aufschlagen!
Ein Teilnehmer: Wenn man ältere Menschen fragt, ob sie in ihrer Kindheit am Bach gespielt haben, wird dies fast immer bejaht. Ich wünsche mir, dass Kinder in Zukunft die gleichen Naturerlebnisse haben!