Aktive von BUND, NABU und VCD wagen eine Fahrt nach Nienburg
Eigentlich ist Bahnfahren eine schöne Angelegenheit. Dafür setzen wir uns schon seit Jahren ein. Mehr ÖPNV und weniger Autoverkehr - möglichst schnell muss die Mobilitätswende auch im ländlich geprägten Raum wie im Stadtgebiet von Petershagen in Gang kommen, so unser Ziel mit Blick auf den Klimawandel. Immer im Dezember, wenn der Bahnfahrplanwechsel erfolgt, steht im Mittelpunkt unserer Bemühungen der Bahnanschluss in Lahde. Auf der eingleisigen Strecke pendelt der Porta-Express (RE 78) im 2-Stunden-Takt zwischen Nienburg und Bielefeld.
In diesem Jahr unternahmen wir erstmals eine gemeinsame Zugfahrt vom Bahnhof Lahde nach Nienburg. Wir wollten selbst erfahren, was es heute für den Fahrgast heißt, auf diesem Streckenabschnitt unterwegs zu sein.
Schwierig, so stellten wir auch an diesem Tag fest, sind die häufigen Zugausfälle. So fiel die Pendelfahrt Bielefeld-Nienburg zwei Stunden zuvor komplett aus. Die Ausfälle hängen oftmals mit der Bedeutung dieser Bahnstrecke für den Güterverkehr von Hamburg ins Ruhrbebiet zusammen. Weiterhin gilt die Strecke als Ausweichroute für andere Güterverkehre. Baustellen oder Personalmangel sind weitere Ursachen für Verspätungen oder Ausfälle, für die dann ein Schienenersatzverkehr eingerichtet werden muss. Unser Zug aber kam pünktlich um 16.12 Uhr an!
Schwierig ist für manche Bahnreisende aber auch der Fahrkartenkauf. Der Fahrkartenautomat am Bahnsteig in Lahde war vor einigen Jahren abgebaut worden. Wo kaufen? Man kann heutzutage wählen: Im DB-Reisecenter z. B. in Minden, im Internet oder am Automaten am Bahnhof oder im Zugabteil, sofern vorhanden. Letzterer war im RE 78 vorhanden, aber funktionierte er auch? Ja, er funktionierte! Mit dem Niedersachsenticket fuhren wir 37 Minuten entspannt und bequem durch die Landschaft über die ehemaligen Dörfer Windheim, Döhren, Heimsen, Schlüsselburg, dort über die niedersächsische Landesgrenze zum Bahnhof Leese-Stolzenau (Fahrkartenautomat am Bahnsteig), wo der Porta-Express Halt machte. Dann weiter über Landesbergen, Estorf, Schäferhof, Langendamm bis Nienburg (Weser). Alle diese Orte sind im Kursbuch von 1944 als Haltepunkte eingetragen. Heutzutage hält er nur in Leese. So ist es für Bahnnutzende jetzt schwieriger, ihr Endziel zu erreichen.
Die letzte Hürde, die wir für Reisende auf dieser Strecke ausmachten, muss in Nienburg überwunden werden, wenn diese den Anschlusszug nach Bremen erreichen wollen. Fünf Minuten haben sie nur Zeit, um vom Gleis 5 die Treppe hinunter durch den Tunnel und dann die Treppe hoch zum Gleis 2 zu laufen. Wir hatten es geschafft, und hätten einsteigen können! Doch zurück ging es auf Schienen nach Petershagen-Lahde. Um 17.44 Uhr erreichten wir wieder den heimischen Bahnhof.
Unsere Forderungen für diese Bahnstrecke:
Fahrkartenautomat am Bahnhof Lahde aufstellen, weiteren Haltepunkt in Petershagen-Nord einrichten, gesicherten Anschluss in Nienburg zur Weiterfahrt nach Bremen und Hamburg gewährleisten, Stundentakt oder zumindest einen ergänzendern Schnellbus zur Stunde dazwischen anbieten
Weiterhin sollte der Bahnhof Lahde für die Verknüpfung verschienener Verkehrsmittel besser ausgestattet sein. Eine Hürde für potenzielle Bahnnutzende ist die Frage, wie die Teilstrecke zwischen Wohnung und Bahnhof ohne eigenes Auto bewältigt werden kann. Wollen diese Fahrräder oder E-Bikes nutzen, müssen sichere und wettergeschützte Abstellmöglichkeiten vorhanden sein. Nötig ist auch ein Angebot zum On-Demand-Verkehr mit Kleinbussen mit möglichst vielen (virtuellen) Haltepunkten auf dem Weg zum Bahnhof. Das derzeitige Angebot zum Rufbus WeserBus Petershagen reicht nicht aus. Nötig sind weiterhin Leih-Angebote (Carsharing, Bikesharing). Eine kostenlose Leihstation für Lastenräder gibt es schon in Bahnhofsnähe (www.milla.bike).
Klimafreundliche und sozial gerechte Mobilitätsprojekte sind z. B. schon in Höxter mit dem On-Demand-Verkehr Holibri umgesetzt worden. 1300 bestehende und zusätzliche virtuelle Haltestellen gehören zu diesem Konzept (https://www.holibri.info/holibri/). Realisiert wurde auch ein Linien-E-Carsharing an der Mobilstation Bahnhof Borgholzhausen.
Unser Fazit: Ohne die genannten Hürden ist Bahnfahren auf dieser Strecke eine schöne Angelegenheit und eine gute Alternative zum Auto. Weitere Verbesserungen versprechen Forschungen zu Digitalisierung und Automatisierung im System Bahn am neuen Railcampus OWL in Minden - direkt gelegen an unserer Bahnlinie!
Doch mehr Charme hatte sicherlich vormals die Fahrt mit dem Schienenbus, wenn der Schaffner sonntags im roten Anzug seine Fahrgäste begrüßte, wie sich manche Zeitzeugen erinnern.