Kreisgruppe Minden-Lübbecke

Dialog am Bach: BUND und Fischereiverein erkunden gemeinsam die renaturierte Ösper in Petershagen

07. April 2018 | Petershagen, Ösper, Artenschutz, Gewässerschutz

Thomas Göb (Fischereiverein), Kornelia Fieselmann (BUND) und Wilhelm Schäkel (früherer Ortsheimatpfleger) beim Gespräch über die Ösper  (Foto: BUND Mi-Lü)

Wie ist der Zustand des Fließgewässers gut drei Jahre nach der Umgestaltung? Haben Fische und Co. ihren Lebensraum zurückerobert? Wo könnten die Ursachen liegen, wenn die Lebensgemeinschaften des Baches noch nicht zurückgekehrt sind? Darüber diskutierten der BUND Petershagen, der Fischereiverein Petershagen und weitere Teilnehmer*innen bei einer Bacherkundung in Petershagen-Ort.

Kornelia Fieselmann (BUND): Die Gewässerstruktur habe sich positiv entwickelt. Kolke mit ruhigem Wasser und Rauschen seien charakteristisch für ein Fließgewässer. Seit der Umgestaltung sähe man an etlichen Stellen wieder einen Stromstrich, wo das Wasser von Prallhang zu Prallhang fließt. Und man höre wieder das Rauschen und Plätschern eines Baches! Vorher sei nur eine glatte Wasseroberfläche zu sehen gewesen, teilweise mit Seerosen, die eher typisch für Stillgewässer seien.

Um den Zustand der Ösper hinsichtlich der Gewässerstruktur genauer zu erkunden, bekamen die Teilnehmer*innen die Aufgabe, die Gewässerstrukturgüte der Ösper zu bestimmen. Dabei half eine Anleitung für Bachpaten mit einer fünfstufigen Bewertungsskala von 1 bis 5 (Abstufung nach Farben: blau, grün, gelb, orange, rot). Ergebnis: Rot und orange mussten abschnittsweise für die fehlende Aue (Land) vergeben werden. Bessere Bewertungen bekamen die Sohl- und Uferstrukturen. Insofern hat sich der Zustand dieses Ösperabschnittes verbessert.

Aber ist auch wieder Leben eingekehrt? Der noch in den 1960er Jahren naturnahe Bach soll sehr fischreich gewesen sein, berichtete Wilhelm Schäkel, ehemaliger Ortsheimatpfleger von Petershagen.
Thomas Göb (Vorsitzender des Fischereivereins Petershagen/Weser e.V.): Es zeige sich, dass die Entwicklung der natürlichen Artenvielfalt in diesem Bereich stetig vorangehe. Augenscheinlich zeige sich das auch für den Bereich der Fische in der Ösper. Durch einzelne Begehungen von Mitgliedern seien deutlich mehr Fische gesichtet worden als vor der Maßnahme. In manchen Bereichen sei aber die Zuwanderung von Fischen aus der Weser durch ein zu flaches Ösperbett zu schwierig geworden, gerade in der regenarmen Zeit.
Der Fischereiverein führe jedes Jahr an unterschiedlichen Bereichen der Ösper Besatzmaßnahmen durch. Es würden unterschiedliche Fischarten eingesetzt werden,um die Artenvielfalt zu erhöhen.

Kornelia Fieselmann: Das eigentliche Problem liege darin, dass es zu große Restriktionen gibt, um aus der Ösper ein wirklich funktionierendes Fließgewässer-Ökosystem zu entwickeln. Dazu zählten neben fehlender Flächenverfügbarkeit aufgrund von Verkehr und Siedlung auch die Vorflutansprüche der Landwirtschaft im gesamten Einzugsgebiet der Ösper mit ihren zahlreichen Seitengewässern. Seit dem Ausbau werde das Wasser, das zuvor in der Aue wie durch einen Schwamm aufgesogen wurde und langsam das Grundwasser anreicherte, direkt in die Ösper abgeführt, Das habe eine Grundwasserabsenkung und massiven Artenverlust zur Folge. Zeitweilig überschwemmte Auenlebensräume mit ihrer reichen Tier- und Pflanzenwelt gehörten aber unabdingbar zu einem intakten Fließgewässer.

Thomas Göb: Bei kurzfristigem Hochwasser würden Uferbereiche unterspült und sorgten damit für den Abtrag von Sediment in das Ösperbett. Natürlich sollte eine Renaturierung einen stetig veränderten Verlauf (wie seit Jahrtausenden) des Gewässers fördern. Hierbei seien aber alle Belange der Pflanzenwelt sowie der Tierwelt neben und im Wasser mit einzubeziehen. Würden aber dadurch die Aufstiegsmöglichkeiten der Fische erschwert oder unmöglich gemacht, müsse dieses bei den nächsten Projekten beachtet werden. Die Entwicklung des renaturierten Bereichs sei aber grundsätzlich positiv zu sehen. Wir als Fischereiverein Petershagen/Weser e.V. würden uns immer dafür einsetzen, dass derartige Projekte weitergeführt werden.

Kornelia Fieselmann: Um übermäßige Erosion und damit Sedimentation zu verhindern, sollten standortgerechte Ufergehölze längs des Gewässers aufwachsen. So seien z. B. die Wurzeln der Erlen ein gutes Palisadenwerk, das dem Wasserangriff widersteht. Ganz wichtig seien Ufergehölze auch als Lebensräume. Das Wurzelgeflecht diene als Versteckmöglichkeit für Fische und der Laubeintrag bilde Nahrung für Tiere der Bachsohle. Eine Besiedlung des Fließgewässers werde möglicherweise immer noch erschwert. Die Sohlgleite im Ösperhafen (Mündungsbereich), die statt des Sohlabsturzes nun den Höhenunterschied von knapp 3 m ausgleichen muss, sei letztendlich auch ein unnatürliches Hindernis.

Nach diesem Dialog mit Blick auf Gewässerstruktur und Fauna der Ösper ging es weiter bachaufwärts unter den Damm der L 770 zum Ösperabschnitt an der Deichmühle. Hier stand die Flora mit ihren verschiedenen Entwicklungsstadien seit der Umgestaltung im Fokus.
Bericht BUND: Schüler*innen des Differenzierungskurs Biologie/Chemie , der sog. Wasserkurs des Gymnasiums Petershagen, schauen jährlich im Juni zusammen mit der BUND-Ortsgruppe auf Veränderung in diesem Ösperabschnitt. Im Jahr nach der Renaturierung gab es noch wenig Pflanzen zu bestimmen. Die Kamille als Erstbesiedler von Rohböden hatte den neuen Lebensraum erobert.
Ein Jahr später, 2016, entwickelte sich schon eine große Artenvielfalt von gewässer- und auetypischen Pflanzen. Der BUND bestimmte in diesem Enwicklungsstadium stichprobenartig die Flora. Neben Seggen- und Binsenarten hatten sich viele blühende Gewächse mit Blütenfarben von rot (Lichtnelke) über blau (Bach-Ehrenpreis) bis zu weiß (Mädesüß) eingefunden, aber auch schon verschiedene aufwachsende Gehölze wie Erlen und Weiden. Das nächste Entwicklungsstadium wäre ein Auenwald, den zukünftige SchülerInnen des Wasserkurs erkunden könnten.

Die BUND-Ortsgruppe erkundigte sich nach Ergebnissen der biologischen Überwachung bei der Bezirksregierung Detmold (Geschäftsstelle Weser NRW). Diese ist für die Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie im Einzugsgebiet der nordrhein-westfälischen Weser zuständig. Es gebe keine Erfolgskontrolle für den renaturierten Ösperabschnitt hinsichtlich der Lebensgemeinschaften Fische, Wirbellose der Gewässersohle sowie Gewässerflora, so Andrea Püschel vom Dezernat 54 – Wasserrahmenrichtlinie. Messstellen zur Überprüfung dieser für ein gesundes Gewässer entscheidenden Anzeiger lägen weit entfernt in Maaslingen. Allerdings soll es voraussichtlich noch in diesem Jahr eine Neukartierung der Ösper zur Gewässerstrukturgüte geben.

Appell am Schluss der Bacherkundung: Alle Bachfreund*innen sind aufgefordert, gerade auch die kleinen Bäche vor ihrer Haustür wahrzunehmen. Viele Entwässerungsgräben sind in Wirklichkeit Bachläufe. Nach EU-Wasserrahmenrichtlinie sind diese zwar nicht berichtspflichtig, aber auch für sie gilt der gute ökologische und chemische Zustand. Wer einen Bach ökologisch verbessern möchte, wende sich an den BUND Petershagen (Tel. 05707/1242, kornelia.fieselmann(at)bund.net) oder an den Wasserverband Weserniederung (Tel.: 05702/1422,  info@wv-weserniederung.de)

Spätestens in drei Jahren geht es wieder auf Bacherkundung, um zu erforschen, wie viel Leben die Ösper dann beherbergt.

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