AgrarBündnis fordert von der Politik mehr Mut und Unterstützung bei der Transformation der Landwirtschaft
Auf der Grünen Woche in Berlin hat das AgrarBündnis den Kritischen Agrarbericht 2024 vorgestellt. Der Bericht dokumentiert jährlich die Vielfalt der politischen Debatte zu Landwirtschaft und Ernährung. Er formuliert fundierte Kritik am derzeitigen Agrarsystem, benennt aber auch Konzepte, Ideen und gelungene Praxisbeispiele, wie es anders gehen könnte. Einen besonderen Schwerpunkt legt der Kritische Agrarbericht 2024 auf das zur Zeit viel diskutierte Thema Tiere und die Transformation der Landwirtschaft.
Die notwendige Transformation jetzt endlich anpacken!
Frieder Thomas, Geschäftsführer des Bündnisses, ging auf die Ursachen für die Proteste der vielen Bäuerinnen und Bauern ein: „Die anhaltende gesellschaftliche Diskussion über die Nutztierhaltung hat zu einer großen Verunsicherung in der Landwirtschaft geführt. Die Zahl der tierhaltenden Betriebe sinkt dramatisch, während die Fleischimporte zunehmen. Aber die notwendige Transformation hin zu einem gesunden, gerechten, umweltfreundlichen und für alle Beteiligten auch wirtschaftlich tragfähigen Agrar- und Ernährungssystem droht an parteipolitischen Querelen, fehlender Finanzierung, aber auch an mangelnder Einsicht in seine gesellschaftliche und ökonomische Notwendigkeit zu scheitern. Die Fortschreibung des bisherigen Trends mit intensiver Tierhaltung und immer größeren Ställen ist keine Lösung. Gleichzeitig wollen Bürgerinnen und Bürger zwar mehr Tierschutz und zugleich weniger Umwelt- und Klimabelastung durch die Tierhaltung, entscheiden sich aber als Verbraucher:innen viel zu oft für Billigangebote – verleitet von Rabattschlachten der großen Handelsketten, die ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nicht gerecht werden.“
Agrarpolitik endlich umsteuern!
Xenia Brand, Geschäftsführerin der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), nannte die wichtigsten Handlungsfelder: „Die Bundesregierung muss jetzt die Ursachen des Frustes vieler Bäuerinnen und Bauern an der Wurzel packen und in der Agrarpolitik umsteuern. Sie muss den Umbau der Landwirtschaft mit wirtschaftlichen Perspektiven und mit Planungssicherheit für die Betriebe verbinden. Die Lösungen aus der Zukunfts- und Borchertkommission liegen schon längst auf dem Tisch. Konkret heißt das: Die Bäuerinnen und Bauern brauchen faire und kostendeckende Preise durch bessere Marktpositionen. Der Umbau der Tierhaltung muss durch die Einführung einer Tierwohlabgabe angemessen finanziert werden. Mit den Fördermitteln aus Brüssel müssen die Umweltleistungen der Bäuerinnen und Bauern einkommenswirksam entlohnt werden; die Europäische Agrarpolitik muss insgesamt gerechter gestaltet werden. Ackerland gehört in Bauernhand – eine Stellschraube hierzu ist eine höhere Grunderwerbssteuer für jene, die bereits sehr viel Land besitzen. Zudem muss sich die Bundesregierung für eine weiterhin strikte Regulierung der Gentechnik einsetzen, um die gentechnikfreien Agrarmärkte zu schützen und damit Einkommensverluste der Betriebe zu verhindern.“
Die sozial-ökologische Agrarwende braucht Investitionen und weniger Bürokratie
Carolin Pagel, Referentin für Agrarpolitik bei Bioland, machte deutlich, dass für eine erfolgreiche sozial-ökologische Agrarwende der Staat investieren statt kürzen muss: „Wir brauchen positive Anreize – dazu zählt die Umsetzung der neuen Bio-Strategie des BMEL, die den Weg zum Ziel von 30 Prozent Bio bis 2030 konkretisiert. Die darin formulierten Ansätze sind ein Lichtblick – doch es bleibt abzuwarten, was davon auf den Höfen ankommt. Dort brauchen wir dringend Lösungen mit weniger bürokratischem Aufwand, wie zum Beispiel eine einfachere und umweltwirksamere Euopäische Agrarpolitik, die systemische Anbauweisen wie den Ökolandbau fördert statt ausbremst. Dringend geboten ist zudem die Ermöglichung und Absicherung einer gentechnikfreien Land- und Lebensmittelwirtschaft. Das ist nicht nur für den Ökolandbau wichtig, sondern auch für die vielen Landwirtinnen und Landwirte, die konventionell gentechnikfrei wirtschaften. Es ist im Interesse der gesamten Branche, Vorsorgeprinzip und Kennzeichnung zu wahren. Ansonsten würde die Abhängigkeit der bäuerlichen Betriebe von den Agrochemie-Konzernen durch Patente ins Bodenlose steigen.
Politischer Gestaltungswille in Sachen Pestizidreduktion dringlicher denn je
Olaf Bandt, Bundesvorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), mahnte mehr Gestaltungswillen an: „Obwohl gemeinsam entwickelte Konzepte auf dem Tisch liegen, wie der Umbau der Landwirtschaft gelingen kann, fehlt es an Kommunikation und konkreten Maßnahmen. Das ist fatal, denn Verbraucherinnen und Verbraucher erwarten Transparenz, Tierwohl und weniger Umweltauswirkungen aus der Landwirtschaft. Für eine zukunftsfähige Landwirtschaft brauchen Bäuerinnen und Bauern deshalb planbare Perspektiven und Unterstützung beim Umbau. Politischer Stillstand schadet. Es geht darum, wie Landwirtschaft ohne Gentechnik möglich ist, es geht um mehr Geld für den Umbau der Tierhaltung, es braucht eine ausbaufähige Umschichtung der GAP-Gelder für ökologische und soziale Gemeinwohlleistungen, einen klaren politischen Willen im Umgang mit Glyphosat und eine Strategie für die Pestizidreduktion. Umso enttäuschender ist, dass Glyphosat entgegen dem Koalitionsvertrag nun auch bei uns wieder zugelassen werden soll und die Verordnung zur nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln (SUR) auf EU-Ebene gestoppt wurde. Daher ist politischer Gestaltungswille in Sachen Pestizidreduktion nun dringlicher denn je. Bäuerinnen und Bauern brauchen Angebote, sie dürfen nicht in der Freiwilligkeitsfalle stecken bleiben.“
Keine Fortschritte in der Tierschutzpolitik
Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, kritisierte den Stillstand in der Tierschutzpolitik: „Nach zwei Jahren Ampel-Koalition wäre es Zeit, eine Bilanz der Tierschutzpolitik zu ziehen. Leider geht das nicht, weil es bisher keine Tierschutzpolitik gibt. Im Tierschutz hat sich nichts nachhaltig bewegt; Versprechen aus dem Koalitionsvertrag wurden ignoriert. Die staatliche Tierhaltungskennzeichnung bringt für kein Tier einen Mehrwert. Umso wichtiger ist nun die anstehende Überarbeitung des Tierschutzgesetzes und ein Umbau der Tierhaltung, bei dem auch die Landwirte mitgenommen werden müssen. Das Dilemma, in das sich die Ampel kopf- und planlos mit den Haushaltskürzungen im Agrarbereich gebracht hat, ist dabei jedoch kontraproduktiv. Die nächsten Wochen sind eine Nagelprobe für die Durchsetzungskraft der Regierung und der Regierungsfraktionen.“
10 x 5 Kernforderungen an die Politik
Das AgrarBündnis bietet mit seinem jährlich erscheinenden Kritischen Agrarbericht eine Informations- und Diskussionsplattform für die gesellschaftliche Auseinandersetzung um eine nachhaltige Transformation von Landwirtschaft und Ernährung – in Deutschland, in Europa, aber auch weltweit. Die Autor:innen der Jahresrückblicke (»Entwicklungen & Trends«) für die zehn Themenschwerpunkte, die regelmäßig im Kritischen Agrarbericht behandelt werden, haben auch für dieses Jahr jeweils fünf zentrale politische Forderungen zusammengestellt. Diese 10 x 5 Kernforderungen richten sich vor allem an die Bundesregierung, aber auch an andere politische Entscheidungsträger:innen sowie Akteur:innen der Zivilgesellschaft. Die Kernforderungen als eigenständiges Dokument hier.