Kreisgruppe Minden-Lübbecke

Wir haben es satt! 10 000 demonstrierten in Berlin für eine Agrarwende

25. Januar 2023 | Agrarwende, Landwirtschaft, Klimaschutz

BUND-Block mit BUNDjugend-Wagen  (Foto: BUND)

Mitten unter den Demonstranten befand sich auch eine Gruppe aus Minden-Lübbecke mit großem Banner. Aufschrift: Für eine ökologische Agrarwende! Die Politik muss handeln! Wir müssen nachhaltig konsumieren! Wir alle verfolgten das vielfältige Programm, das auf der großen Bühne am Brandenburger Tor geboten wurde. 
Dort traten Vertreter*innen des Agrarbündnisses auf und brachten ihre Statements vor:

Tobias Schied, Jungbauer, Fridays for Future:
„Die Klimakrise betrifft uns als Bäuer*innen sehr direkt, Wiesen und Äcker vertrocknen. Im Globalen Norden sind wir durch unsere Agrar- und Klimapolitik direkt dafür verantwortlich, das muss ein Ende haben. Zerstörerische Profite dürfen nicht länger über Menschen, Tiere und Ökosysteme gestellt werden, wir brauchen die klimagerechte Agrarwende jetzt!“

Lisa Reichmann, Kampagnenleiterin bei Campact:
„Cem Özdemir sucht die guten Bilder – das Ferkel im Arm oder inmitten von Kühen. Was der Minister nicht liefert, sind konkrete Taten und Gesetze. Die Agrarwende braucht aber einen Bundeslandwirtschaftsminister, der anpackt, d.h. sich einsetzt für weniger Pestizide, mehr Lebensmittel auf dem Teller statt im Tank und eine Mittelverteilung nach ökologischen Krite­rien.”

Maria Loheide, Vorständin Sozialpolitik der Diakonie Deutschland:
„Soziale und ökologische Fragen dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Wir fordern, dass jeder Mensch die Mittel zur Verfügung haben muss, sich ausgewogen, gesund und nach­haltig zu ernähren. Sozialleistungen und Einkommen müssen hoch genug sein, um sich an der sozial-ökologischen Agrar- und Ernährungswende beteiligen zu können.“

Elisabeth Fresen, Bundesvorsitzende der AbL und Bäuerin in Niedersachsen:
„Auf vielen Höfen herrscht existenzielle Not: zu wenig Einkommen bei steigenden Kosten, hohe Arbeitsbelastung und bedrohte Ernten durch Extremwetter. Jeden Tag verlieren wir Höfe. Von Agrarminister Özdemir verlangen wir deshalb, den überfälligen Umbau der Land­wirtschaft zügig und sozial gerecht anzugehen. Die Konzepte liegen vor und werden von Bäuer*innen, Umweltschutz und Gesellschaft getragen. Worauf warten Sie?“

Sefu Sani, World March of Women (Kenia):
„Ich fordere das Recht auf Nahrung und Landwirtschaft für die ländliche Bevölkerung, Bäuer*innen, Indigene und alle Menschen, denen Land geraubt wurde. Wir brauchen eine Transformation der Ernährungssysteme, das Ende der Abhängigkeit vom Norden und echte Ernährungssouveränität durch agrarökologische und regionale Märkte. Die Politik muss sich an den am stärksten Benachteiligten ausrichten, nicht an Entwicklungshilfegeber*innen oder Investor*innen.“

Myriam Rapior, stellvertretende Bundesvorsitzende Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND):
„Der Einstieg in den Umbau der Tierhaltung liegt auf dem Tisch. Damit es den Tieren hier besser geht und Bäuer*innen ein faires Einkommen bekommen, braucht es aber mehr Geld. Und für Klima und Umwelt: weniger Tierhaltung. Das nutzt auch Menschen und Natur in den Ländern, aus denen momentan unser Tierfutter kommt.“

Edward Mukiibi, Präsident von Slow Food International:
„Die industrielle Tierhaltung in westlichen Ländern und Asien trägt maßgeblich zur aktuellen Klimakrise und zum Dumping ungesunder tierischer Lebensmittel in Afrika durch bilaterale Handelspolitik bei. Sie zwingt lokale Produktionssysteme in die Knie und untergräbt die Bemühungen dieser Länder um Ernährungssouveränität.“

Patrick Müller von PROVIEH:
„Tiere brauchen ein artgemäßes Leben! Wir müssen die Tierhaltung endlich an die Bedürf­nisse der Tiere anpassen, statt immer wieder die Tiere an die Haltungssysteme anzupassen. Das aktuelle System ist gesellschaftlich nicht akzeptiert, wir überschreiten massiv planetare Grenzen und viele der sogenannten Nutztiere leiden. Deshalb sind der Umbau der Tierhaltung und eine Reduzierung der Tierzahlen dringend notwendig!“

Tina Andres, Vorstandsvorsitzende des Bio-Spitzenverbands Bund Ökologische Lebensmit­telwirtschaft (BÖLW):
„Die großen Krisen, der Klimawandel und das Artensterben kosten uns 90 Milliarden Euro ökologische Folgeschäden im Jahr! Und wenn wir nichts tun, kosten sie uns die Welt. Wir müssen jetzt handeln: Ökologische Landwirtschaft ist der Weg, um auch in Zukunft klima- und generationengerecht gesunde Lebensmittel für alle zu erzeugen. Ohne Pestizide, frei von Gentechnik, mit dem höchsten Tierwohl und innerhalb der planetaren Grenzen.“

Ahmad Rahal, Arzt aus Paraguay und aktiv bei Aktion Agrar:
„80 % der Ackerflächen Paraguays sind mit Soja bepflanzt, damit in Europa Millionen von Tieren volle Futtertröge haben. Nach wie vor kommen Agrotoxine zum Einsatz, die in Europa längst verboten sind. Eine Studie, die ich mit meiner Universität durchgeführt habe, zeigt, dass fast die Hälfte der Kinder zwischen fünf und zehn Jahren in den Sojaanbaugebieten geneti­sche Veränderungen haben. Das muss aufhören.“

Reinhild Benning, Landwirtin und Agrarexpertin der Deutschen Umwelthilfe (DUH):
„Wir sehen gerade, wie krisenanfällig globale Lieferketten und wie wertvoll regionale und agrarökologisch hergestellte Lebensmittel sind. Erzeuger*innenpreise und Löhne der Beschäftigten in der Landwirtschaft sind aber oft zu niedrig. Gleichzeitig sind immer mehr Menschen auf Tafeln angewiesen. Der Staat muss für eine faire Verteilung der Wertschöpfung und mehr Nachhaltigkeit in den Lieferketten sorgen.“


Besonders beeindruckend war für uns Protestler aus Minden-Lübbecke der Poetry Slam von Lisa Maria Olszakiewiecz „Lügen einer Ananas“ über die wahren Kosten von Lebensmitteln. Hier zu sehen und hören über YouTube: Lügen einer Ananas
Nach auch diesem auftrüttelten Beitrag reihten wir uns in den Demozug durch das Regierungsviertel ein. Allen voran die Bäuerinnen und Bauern mit ihren Traktoren, die schon vormittags ihre Forderungen an Agrarminister Özdemir übergeben hatten und nun die große Demo anführten. Zurück am Brandenburger Tor stärkten wir uns bei Butterbroten vom Biobäcker oder einer heißen Suppe aus krummen Gemüse, tags zuvor von vielen Engagierten zusammen mit Wam Kat und der Fläming Kitchen während der weltweit größten Schnippeldisko mit viel Schnippelei hergestellt.
Nach gut drei Stunden war auch diese WHES-Demo wieder vorbei. Nächstes Jahr treffen wir uns wieder und protestieren gemeinsam auf ein Neues!
Impressionen zur Demo siehe Fotos unten. Rückblick, Pressemitteilungen und weitere Beiträge siehe Homepage des Agrarbündnisses www.wir-haben-es-satt.de

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